Wenn einer eine
Reise tut….. Also will ich was erzählen.
Jöelle, Gitty, Leo, Wilhelm, Ben und ich, wir sind die Protagonisten
dieser Erzählung.
Es war also an
einem Montag, die Karawane bewegte sich in Richtung Süden. Nichts weniger als der höchste Punkt der
Iberischen Halbinsel war das Ziel. Das einstweilige. Capileira das vorläufige,
das Basislager.
Der Platz, an dem
wir unsere Zelte aufschlugen, war schnell gefunden. Gleich hinter Capileira,
diesem verschlafenen Bergdorf, liegt ein ruhiges Plätzchen, das einst als
Campingplatz der Gemeinde ausgewiesen war. Wir parkten also dort unsere
Wohnwagen und –Buse. Dann beschlossen Leo und ich doch noch die nähere Umgebung
nach noch idealeren Plätzen zu durchsuchen. Und wurden fündig. Ein herrlicher,
ruhig gelegener, romantischer Platz, umgeben von Bäumen und Büschen und einer
herrlichen Berg-Natur.
Wir sattelten also
unser Wohnwagen noch einmal , fuhren die wenigen Kilometer zum neuen Basislager
und richteten uns ein. Gerade als das erste Bierchen die von der dünnen
Bergluft getrockneten Kehlen gekühlt
hatte, kam so ein uniformiertes Ding, das nichts Anderes im Sinn hat, als die
Welt in Ordnung zu halten, alle Gesetze einzuhalten und auch dann
einzuschreiten, wenn es die Vernunft in keiner Weise gebietet. Auch keine
Engelszungen hätten den Gewissenhaften davon abbringen können seine
wahrscheinlich seltenen Opfer auf den gesetzeskonformen Pfad zurückzuweisen und
so blieb uns nur der Rückzug.
Zurück am alten
Platz, gleich oberhalb des Dorfes, konnten wir unsere bald zurückgewonnene
Gemütlichkeit, erneut voll ausleben. Doch wie es sich für spätberufene
Alpinisten gehört, lagen wir schon bald im tiefen Schlummer der Gerechten.
Der nächste
Morgen brach mit dem allerbesten Spätsommerwetter an, das man sich nur wünschen
konnte. Die Luft war frisch, vielleicht 10°, der Himmel stahlblau und alles
wies auf einen ganz besonderen Tag hin. Noch nie im Leben war ich so hoch oben
in den Bergen gewesen. Leo schon. Der ist ein echter Bergler. Die Luft da oben
würde dünn werden, versprach er Gitty und mir, denn nur wir drei wagten uns an
diesen Aufstieg. 3478 Meter über Meer, klingt schon als blosse Zahl ganz gut.
Die allerertsen
Kilometer bis Hoya del Portillo auf 2151 Meter über Meer mussten die Motoren
unserer beiden Wagen mit der jetzt schon dünnen Luft zurechtkommen. Dann gings
auf den lang ersehnten Weg. Zunächst
durch einen dichten Pinienwald, über Stolperwurzeln, Steine und rutschige
Piniennadeln. Schon diese ersten Meter gingen ziemlich steil bergauf. Also
nicht so, wie in den Dokus über den Mount Everest, aber eben auch nicht
unbedingt erholsam. Hinaus aus dem Wald,
vorbei an einer dieser Brandschneisen, die sich wie schlecht verheilte Narben
durch die Landschaft ziehen.
Die anschliessenden Meter, auf einer
gepflegten Naturstrasse, sind fast nicht mehr, als ein Spaziergang. Bei Puerto
Molina weisen ein paar fest in den Felsen angebrachte Abbildungen auf die Vergangenheit dieser
Region hin. Europäische Waldelephanten, mit fast geraden Stosszähnen , mit
einer Schulterhöhe von 4,5 Metern und einem Gewicht von 6 – 11 Tonnen, weit grösser als der heute lebende afrikanische
Vetter, Berberaffen, die nach ihrem Verschwinden auf der iberischen Halbinsel
von den Engländern in Gibraltar wieder eingebürgert wurden, Nashörnern, Löwen
und Hyänen. Und nicht zuletzt Neandertalern, die lange bevor unsere direkten
Vorfahren aus Afrika nach Europa kamen, hier liebten und lebten. Ob die wohl
schon ein Wort für Erderwärmung, oder Klimawandel kannten?
Weiter gings auf
einer gut ausgebauten Naturstrasse. Zwischen den weiten Serpentinen führten oft
schmale Pfade geradeaus, etwas steiler und holpriger, aber eben wesentlich
kürzer. Das wenige Grün links und rechts, duckte sich dicht auf den Boden und
wurde immer knapper. Kaum zu glauben, dass da noch Tiere etwas von den zähnen,
kurzen Stängeln abknabbern können. Mehr und mehr verwandelte sich die
Landschaft in eine helle Steinwüste und vor uns ragten majestätisch der
Mulhacen II. und weiter links der Pico Veleta mit seiner schroffen Abbruchkante
in die Höhe.
Blick auf Trevelez |
Nach ein paar
kräftigen Schritten gelangten wir zum Mirador de Trevelez, wo wir eine Rast
einlegten. Kaum angelangt schraubte sich vor unserer Nase ein Riesenvogelpaar
in die Luft. Zuerst glaubte ich ein Adlerpaar zu erkennen, wobei das untere von
beiden, das auffällig grösser schien eine Dame sein musste. Später, bei näherer
Betrachtung stellten sich die Beiden als Gänsegeier heraus. Diese Geier haben
eine Flügelspannweite von 234 bis 269cm. Spanien beherbergt immer noch die
grösste Gänsegeierpopulation Europas, trotz illegaler Jagd, trotz Pestiziden,
trotz Giftköder und trotz fehlender Kadaver durch eine, naja,
„fortschrittliche“ Weidehygiene. Eine neue Gefahr jedoch stellen die Windparks
dar. Alleine in den Jahren 2000 bis 2006 sind ihnen in Nordspanien 732 Tiere
zum Opfer gefallen.
Die Sicht auf das tief unter uns gelegene
Trevelez war atemberaubend. Wie mit einem Rechen zusammengehäufte Schuhkartons,
lag die Ortschaft, die ihre maurische Geschichte offen zu tage trägt, unter
uns. Mit 2650 Metern über Meer, war die Luft am Mirador schon ziemlich dünn.
Trevelez war
nicht immer die heute so bekannte Schinkenstadt. Wie sollte sie das unter
maurischer, und damit islamischer Herrschaft auch gewesen sein. Seidenraupen,
auf Brombeerstauden gezüchtet, war lange Zeit das wirtschaftliche Fundament des
Tales. Wilde Geschichten ragen um die Herrscher jener Zeit. Nach der
Rückeroberung durch die Christen begann der Wandel zur Schinkenmetropole. Die
kühle, trockene Bergluft soll so ideal zum trocknen von Würsten und Schinken
sein, dass die Qualität der Produkte bald in der ganzen Welt gelobt wurde.
Jsabel II. und Napoleon verlangten, wie viele andere Schöne, Hässliche und
Reiche danach.
Nachdem der Magen
gefüllt und die Blase geleert waren ging´s weiter. Langsam begann ich die
Anstrengung des Triathlons, den ich zwei Tage zuvor mitgemacht hatte zu spüren.
Langsam begann ich die vielleicht nicht genug eingelaufenen, neuen Wanderschuhe
zu spüren. Langsam begann ich die dünne
Luft zu spüren. Wenn man sich spürt, dann lebt man. Ganz offensichtlich.
Das wenige Grün
am Wegesrand wurde so wenig, dass bald kaum mehr etwas davon zu sehen war. Eine
grau-braune Silhouette bewegte sich am Horizont. Ein Steinbock. Aufgeregt
richtete ich meine Kamera auf das Etwas in der Steinwüste. Vorsichtig tastete
ich mich immer näher heran, bis ich endlich feststellen konnte, das sich das
Tier von mir nicht stören liess und sich beinahe auf meine Fotos drängte.
Nachdem der ertse Steinbock sich genügend in Pose gestellt hatte, um von seiner
Schockoladenseite her auf`s Bild zu kommen, gesellten sich noch ein paar
weitere Artgenossen dazu.
Der Iberische
Steinbock ist etwas kleiner als der Alpensteinbock. Von den hier vier bekannten
Unterarten sind zwei ausgerotten und den anderen beiden ging`s um ein Haar auch
an den Kragen. Am 6.Juanuar 2000 beispielsweise, starb das letzte Weibchen des
Pyrenäensteinbocks. Hoffen wir, dass die beiden noch existierenden Unterarten,
von denen wir die „Capra pyrenaica hispanica“ erleben durften, wenigstens
unsere Unterart „homo sapiens“ überleben
werden.
Ab irgenwo dort
oben, taucht man in eine ander Welt ein. Das Licht wird heller, die Luft
klarer, die Gräusche schwebender und auch der Ton der Steine, die sich unter
unseren Schritten bewegen, wird metallischer. In diese alpine Symphonie mischt
sich gelegentich das pfeifende Geräusch meiner schweren Atmung. Die Schritte
werden langsamer. Leo ist schon ziemlich weit vorne. Dazwischen Gitty. Doch
auch sie wird immer langsamer. Mein Kopf brummt ein wenig und der leichte
Schwindel könnte auch von einem Gläschen zuviel sein.
Der Mulhacen II,
der schon lange vor uns in die Höhe ragt, weicht immer weiter zurück. Gleich
dahinten, noch wenige Schritte, dort müsste er sein und wenn du diese wenigen Schritte
gegangen bist, dann ist er wieder ein ganzes Stück zurückgewichen.
Klar, dass der
Name Mulhacén arabischen Ursprunges sein muss. أبو الحسن علي Ali al-Hassan
Abu, König von Granada, genannt Mulay
Hassan (von den Christen Mulay Hacén genannt), war verheiratet mit Aixa, die
ihm den Sohn Boabdil gebar. Die Geschichte lief schon zu Anfang seiner
Königszeit, die im Jahre 1464 begann,nicht rund. Da war mächtig Zoff mit den
Spaniern, die immer näher rückten. Und als sich dieser Hassan auch noch in eine
Gefangen mit dem Namen Isabel de Solis verliebte, da hing der Haussegen auch
noch recht schief. Isabel konvertierte zum Islam, hiess fortab Zaraya und
turtelte so heftig mit dem König, dass dieser seine ohnehin schon ziemlich
verkorksten Regierungsgeschäfte sträflich vernachlässigte. Es kam wie´s kommen
musste, Boabdil schloss sich mit seiner Mama kurz, schickte seinen Papa zum
Teufel und wurde Muhamad XII , König von Granada. Hassan ernannte auf seiner
Flucht noch seinen Bruder Muhamad XIII , „el Zagal“ zum neuen König und
verstarb. Irgendwo unter unseren Füssen, so will es die Legende, liegen die
sterblichen Überreste dieses Mulay Hassan.
Wir hatten den
allegrössten Teil unseres Anstiegen nun hinter uns. Nicht den schwersten.
Mulhacen II , den kleinen Bruder, der nur etwa 100 Meter kleiner als sei
Nebenbuhler ist, hatten wir bereits umrundet und der letzte Kilometer lag vor
uns. Gitty hatte nun so heftig mit dem Höhenschwindel zu kämpfen, dass sie sich
nicht mehr sicher war, ob sie die letzten hundert Höhenmeter noch schaffen
würde. Nur der Gedanke, dass man so kurz vor dem Ziel doch nicht aufgibt, hielt
sie aufrecht. Jetzt hatte mein Gang wirklich etwas von diesen Filmen, in denen
Bergsteiger nur noch einen Fuss, mühselig und langsam vor den anderen setzen können.
Dann waren wir oben. Auf
dem Dach Spaniens. Gut, da wäre noch der Teyde, aber der ist auf den Kanaren.
Ich weiss nicht mehr wie oft ich das von wegen der Weg sei das Ziel schon
gehört hatte, aber hier war das Ziel das Ziel und wir hatten es erreicht. Natürlich war die Wanderung ein Erlebnis,
aber sie hatte ein Ziel und das war kein kleines.
Vom Heimweg will ich nur
noch berichten, dass er bergab ging, die Zehen schmerzten und die Knie weich
wurden. In meinem Kopf ist ein Erlebnis
für den Rest meiner Tage eingemacht. Ich werde immer davon zehren.
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