Ein
Triathlet, das ist jemand, der schwimmt, radelt und läuft und das mit Hingabe,
Tempo und wenn möglich an Wettkämpfen, wird sich am Anfang seiner Laufbahn mit
der Geschwindigkeit und später mit der Distanz steigern wollen und die längste
dieser Distanzen, ist der Ironman.
Ich
bin Triathlet und ich habe mich gesteigert und bin beim Ironman gelandet. Also
beim Wettkampf über 3,8km schwimmen, 180km radeln und 42,2km laufen.
Jetzt
ist es nicht so, dass danach keine Steigerung mehr möglich wäre. Abgesehen von
einer Handvoll kurioser Wettbewerbe über alle möglichen Distanzen, mit
unterschiedlichen Disziplinen, gibt es ein eigentliches Ziel, den Olymp des
Triathlons, das Höchste, was bei diesem Ironman möglich ist; die
Worldchamionship, den Hawaii-Ironman, vergleichbar mit Wimbelton im Tennis,
oder Monaco bei der Formel Eins. Um dort auf Kona in Hawaii anzukommen, muss
man sich qualifizieren. Das heisst, an einem der etwas über zwanzig offiziellen
Ironman Wettkämpfe weltweit, einen Slot gewinnen. In den sogenannten
Altersklassen, die jeweils innerhalb von fünf Jahren, also 25-29, 30-34, 35-39,
u.s.w. angelegt sind, werden je nach Teinehmerzahl eine bestimmte Anzahl Plätze
verteilt. In meiner Altersklasse ist das jeweils ein Slot für die Gruppe, was
schlicht und ergreifend bedeutet, ich müsste, um mich zu qualifizieren, meine
Altersgenossen besiegen. Allerdings ist da noch ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Hat der Erstplatzierte keine Lust, keine Zeit, oder kein Geld um nach Hawaii zu
gehen, rückt der Nächstplatzierte nach.
Mit der
Erfahrung von sechs dieser langen Wettkämpfe, habe ich mich in Nizza für den Ironman 2013, mit der Absicht mich zu
qualifizieren, angemeldet. Schon ganz am Anfang des Jahres habe ich mit der
Vorbereitung für den grossen Tag am 23.Juni, angefangen. Es lief wie am
Schnürchen. Im Januar hatte ich mich für den Halbmarathon in Sta.Pola
angemeldet, so als Status Quo-Abfrage. Ich habe mich gegen alle 20
Mitstreiter meiner Altersklasse
durchgesetzt und bin mit einer passablen Zeit von 1:41h in´s Ziel gelaufen.
Im Frühjahr, am
Halb-Ironman in Elche, liess ich mich noch einmal als Sieger feiern, und kam
auch dort mit einer persönlichen Bestzeit ins Ziel. Die Lichter für die „Quali“
in Nizza, standen also auf Grün.
Die lange
Autofahrt von Aguilas nach Nizza war vielleicht ein wenig anstrengend, so kurz
vor dem Ironman, aber ich habe mich so gut gefühlt, dass ich diese und alle
anderen Bedenken getrost, zerstreuen konnte.
Die
Startaufstellung am Strand bei der
Promenade des Anglais, war genial. In der Mitte des Pulkes der über 2000
Teilnehmer sollten sich die Superschnellen und nach beiden Seiten hin
absteigend, die immer Langsameren aufstellen. Ich stellte mich in die
zweitäusserste Gruppe, bei den Schwimmern, die sich eine Schwimmzeit von 1:20h
vorgenommen hatten, auf. Dann ertönte der Startschuss, mit ihm verflog das Flattergefühl meines
Nervenkostüms und ich stürzte mich mit gutem Gefühl in die sanften Wogen des Mittelmeeres. Es ist schon jedes
Mal ein Bild für die Götter, wenn hinter zweitausend wildentschlossenen
Triathleten, das Wasser brodelnd und spritzend nach allen Seiten schiesst und
die darin strampelnde Menge, wie Robben in kochendem Wasser, mit aller Kraft um
sich herum schlägt. Mehr als einmal habe ich diese wilde Entschlossenheit auf
mich herunterprasselnd zu spüren bekommen. Aber es lief rund und ich kam voran.
Gegen Ende der ersten von insgesamt zwei Runden, hatte ich mich aus dem
fürchterlichen Hauen und Stechen befreit und konnte ab dort in einem guten und
gleichmässigen Rhythmus das Schwimmen zu Ende bringen.
Der Weg vom
Schwimmausstieg zu den parkierten Rädern war extrem lang. Zeit genug den
Neoprenanzug bis zur Hälfte abzustreifen. Mit wenigen, immer wieder eingeübten
Handgriffen, verwandelte ich mich vom Schwimmer zum Rennradler.
Der Aufstieg aufs
Rad verlief nicht sehr rund. Erst verhedderte sich das Pedal, samt dem darauf
fixierten Radschuh, in der Absperrung um den Velopark, dann fiel die Kette vom
Kettenblatt und als ich mit geübtem Griff das Ding wieder an seinen Platz
bringen wollte, verklemmte sich die Kette zwischen Rahmen und Blatt und ich
musste mir meine Finger ganz schön mit Kettenöl verschmieren.
Dann ging´s
immer schön und schnell geradeaus. Bis 20km. Dort, kurz vor dem heftigen
Anstieg, kam die erste Verpflegunsstelle. Und dort ist es passiert. Ich wollte
mit der Vorderbremse die hintere nur leicht unterstützen, tippte sie also an,
das Ding verklemmte sich irgendwie, blockierte, Rad und Radler rutschen weg und legten sich
unsanft übereinander. Ich wurde von schnellen Helfern vom Boden gehoben, was
sich für mich wie ein Einsammeln aller Glieder anfühlte und konnte nur mit Mühe
das Beordern eines Rettungswagens verhindern. Ein Vierschrötiger bog mein
Fahrrad zurecht und weiter ging die Reise.
Dieser eben
genannte, erste, heftige Anstieg wurde zur Tortur. Nicht weil er so steil war.
Bei jedem Tritt, wachte das leicht surrende Taubheitsgefühl in meinem linken
Knie, mehr auf und verwandelte sich in einen stechenden Schmerz. Eigentlich
habe ich mich schon wieder verbabbelt, bin bei der Vorbereitung hängen
geblieben. Um es kurz zu machen; ich habe mich, mit einer zweitklassigen Zeit
und einem heftig schmerzenden, immer stärker anschwellenden Knie ins Ziel
gequält.
Ich würde ja
nicht über meinen Hawaii-Ironman berichten, wenn die Geschichte hier zu Ende
wäre. Die Geschichte ging also weiter. Mit dem Kopenhagener Ironman. Kurz nach
dem Nizza-Ironman wurde der Kopenhagener von einem Challenge, also einem
Wettkampf, der keine Hawaii-Slots vergibt, in einen Qualifikationslauf
umgewandelt. Es gab noch Plätze und also war ich angemeldet und sechs Wochen
später stand ich am Schwimmstart am Amager-Strand in Kopenhagen.
Alles lief einigermassen
gut. Ich kam als erster unserer Gruppe aus dem Wasser, als Letzter vom Rad,
legte einen ganz passablen Marathon hin und wurde Zweiter. Da mir der Erste aus
der Gruppe schon vor dem Rennen versichert hatte, dass er nicht nach Hawaii
wolle, sollte dem Slot Nichts mehr im Wege stehen.
Doch manchmal
kommt es eben anders als man denkt. Gleich bei der Ziellinie stand eine
Riesenvideowand auf der, unter anderem, die Zeit der jeweils einlaufenden
Athleten angezeigt wurde. Meine nicht. Im Internet wurden die jeweiligen
Abschnitte jedes Triathleten, mit Angabe seiner Zeit, und schliesslich auch die
Endzeit, aufgeführt. Bei mir fehlte die Hälfte des Marathons und an Stelle
einer Endzeit stand da ein DNF, (did not finish).
Am andern
Morgen, noch vor der Slotverteilung, stand ich vor der Halle, in der der Event
stattfinden sollte und hielt Ausschau nach den zuständigen Leuten. Der langen
Rede kurzer Sinn; ich konnte, auf Grund
von Fotos, beweisen, dass ich die gesamte Strecke gelaufen war und meine
Endzeit auf einem offiziellen Foto auch belegen. Ich nahm also Teil an der
Verteilung der Hawaii-Starplätze. Nur tauchte auf einmal der Sieger unserer
Altersklasse auf und nuschelte etwas von Hawaii, Startplatz und er wisse halt
nicht… Es war weder sein schlechtes Englisch, noch mein ramponiertes
Auffassungsvermögen. Er wollte wohl gar nicht verstanden werden.
Dann bei der
Verteilung. Jeder Einzelne wird aufgerufen und wenn sich beim dritten Aufruf
keiner meldet, geht der Slot an den Nächsten. Mein Mitstreiter stellte sich
ganz vorne bei der Bühne auf und wartete, ähnlich einer Springspinne, um jeden
Moment nach vorne schiessen zu können.
Als er aufgerufen wurde stellte er sich auf und verkündete, und diesmal laut
und verständlich, dass er der eigentliche Sieger sei, aber auf seinen Anspruch
verzichte, und somit ein Anderer an seiner Stelle der Glückliche sei. Die Ehre
war ihm zu gönnen und ich konnte, schneller als beim Marathon am Tage zuvor,
laufen und in zwei kräftigen Sätzen über die Treppe zur Bühne fliege um jubelnd
meinen Slot entgegenzunehmen.
Hawaii ist für
jeden Reisenden ein Paradies. Für einen Triathleten ist es weit mehr; der
Olymp, das Ziel aller Träume, eine Art Auszeichnung. Es ist schon ein Ding
Ironman-Finisher zu sein. In Kona, auf der Big Island Hawaii, ruft der Speaker
auf der Ziellinie jedem Finisher zu: „You are an Ironman“ und das ist eine
Taufe, die berechtigt ein Leben lang damit anzugeben.
Am 12.Oktober
2013 um 6:30Uhr stand ich, mit etwas mehr als zweitausend Athleten, in der
kleinen Bucht von Kona. Der Kanonenböller, der den Start der Profis bedeutete
war bereits abgefeuert worden und wir schwammen langsam die zweihundert Meter
zum Schwimmstart. Der pazifische Ozean schaukelte die Teilnehmer sanft auf und
ab. Die Anspannung vor dem Start vibrierte durchs Wasser, nur die Unmenge
tropischer Fisch unter uns, blieb vom Treiben über ihnen unberührt. Es war das
35gste Mal, dass sie dieses Spektakel miterleben durften. Die Pro-Frauen sind
beim zweiten Kanonenböller losgeschossen und ich versuchte mir immer wieder
einzureden, dass es absolut keinen Grund zur Nervosität gebe. Ich wollte
finishen. Egal in welcher Zeit. Einfach noch vor Mitternacht ins Ziel laufen
und das sollte doch wohl möglich sein.
Als zum dritten
Mal ein Rauchwölkchen hinter einem sonoren Knall über die Bucht von Kona
wanderte, begann das Spektakel endlich auch für uns. Ich hielt mich hinten,
fern der Front, wo die Kriegen bekanntlich länger leben auf und fand mich
folglich in einer Gruppe Gleichgesinnter, die wohl alle mit ähnlichen
Schwimmerqualitäten, wie ich , gesegnet waren und das bedeutete wiederum, dass
keiner so ganz von Schlägen ausgenommen wurde. Es ging. Nur richtig vorwärts
kam ich nicht. Ich habe im Wasser kein Zeitgefühl, höchstens eine dumpfe
Ahnung, wie´s so läuft und die sagte mir da, dass es eben nicht so lief. Die
Wendemarke, ein Segelschiff, wollte einfach nicht kommen und als endlich ein
Segelmast hinter den azurblauen Wellen des Pazifiks auftauchte, war es immer
noch nicht das ersehnte, sondern irgendein anderes. Gut irgendwann kam die
Wende, und ich wollte nicht auch noch Zeit verlieren meinen Arm mit der Uhr in
die Höhe zu strecken nur um zu sehen, dass ich spät dran war. Zudem eröffnete
man uns an der Wettkampfbesprechung, dass die Strömung in der ersten Hälfte zu
unseren Gunsten verläuft, und erst auf dem Heimweg, so richtig eklig entgegen
kommt. Gegen Ende der Schwimmstrecke gurgelte ich zu einem Begleitkanu herüber,
ob ich denn überhaupt in der Zeit bliebe. Nach 2:20h ist nämlich Schluss und der zu
Späte, wird aus dem Rennen genommen. „Only three hundret meters left and you
have still half an hour“ kam die beruhigende Botschaft zurück. Mit einer Stunde
und sechsundfünfzig Minuten, habe ich dann die längste Zeit meiner jungen
Triathlonkarriere geschafft.
In der
Wechselzone, in der fürsorgliche Freiwillige einen Betreuungsservice boten, von
dem man nur träumen kann, liess ich mir, im Vertrauen auf meine radfahrerischen
Qualitäten, alle Zeit der Welt. Der Start mit meinem Mietrad lief ordentlich.
Der schwache Wind kam schräg von hinten. Manchmal von der Seite und nur selten
leicht von vorne. Die Strecke auf dem Queen K.Highway verläuft hügelig. Ein
ständiges Auf und Ab, bei dem weder Ruhe, noch Rhythmus zustande kommen kann.
Weiter draussen, zwischen unendlichen Lavafeldern, beginnen Hitze und
Einsamkeit an den Reserven, wenn man dann welche hat, zu nagen. Das innere und
sehr stille Versprechen auf eine gute Radfahrt begann zu bröckeln. Die
Bedingungen waren mittelprächtig, die Geschwindigkeit lag eher darunter. Kurz
vor der Wende in Hawi begann der Wind sein Spiel zu spielen. Bald kam er von
der einen Seite, bald von der andern, nur sanft war er jetzt nicht mehr und
wenige Meilen nach der Wende blies er nur noch von vorne. Ich fühlte mich
kraftlos und frustriert. Die Rechnerei, wie
viele Meilen, umgerechnet in Kilometer, wie viel Durchschnitt ergeben,
wie weit es noch sein wird, wie viel Zeit mir noch bleibt und bei welcher
Geschwindigkeit ich fahren muss um auch dieses Teilziel innerhalb des Limits zu
erreichen, wurde zu einem unlösbaren Problem. Bald hatte ich das Gefühl mir
bliebe alle Zeit der Welt, bald rechnete ich aus, dass ich es auf keinen Fall
mehr schaffen würde.
Ich hatte es
letztendlich doch geschafft, und es hatte auch mich geschafft. Ziemlich
entkräftet stieg ich vom Rad und merkte schon bei den allerersten Schritten,
dass sich meine Beine einem zügigen Schritt verweigerten. Ich musste gehen.
Hoffte, dass ich die Umstellung vom Pedalieren aufs Laufen bald geschafft hätte
und dann einen vernünftigen Rhythmus finden könnte. Ich fand ihn aber nicht.
Jeder Versuch in ein Laufen über zu gehen, endete nach einem plumpen
Nachvornestemmen, so als ob ich eine Wand wegschieben müsste, in einem
verkrampften Wanderstil. Nach einem weiten Bogen, in dem eine giftige Steigung
das ihrige zur ausweglosen Lage beitrug, ging es auf den berühmten Ali´i Drive.
Ich zwang mich nun einfach zum Laufen, stemmte Bein vor Bein und scherte mich
einen Dreck um das Aussehen meines Laufstiles, wenn denn so einer überhaupt als
solcher zu erkennen gewesen sein soolte. Nach zehm Meilen, fühlte ich mich
endgültig am Ende meiner Kräfte. Ich versuchte den Gedanken, dass mich jetzt
nur noch ein Wunder retten könne, mit der Wut der Verzweiflung, wegzufegen. Ich
ging ein paar Schritte, lief, beinahe torkelnd ein paar hundert Meter, stemmte
mich in das Dunkel einer Tropennacht hinein und merkte plötzlich, dass ich
nicht mehr schwitzte. Beim Ankommen.an der nächsten Verpflegungsstelle hielt
ich an und schluckte alles, was ich in mich hinein bringen konnte. Es war schon
tiefe Nacht, als ich das kleine Strässchen zum Energy Lab hinunter watschelte.
Bergab konnte ich wieder etwas laufen, und das war auch gut so, denn bei der
Wendemarke war jetzt so viel Licht, dass ich das Zifferblatt meiner Uhr
erkennen konnte. Es sollte reichen. Ich kam sogar in ein langsames, aber
stetiges Laufen. Vorbei an etlichen Gehern, Hinkern, Torklern und einige Meilen
weiter Richtung Kona, konnte ich mir ausrechnen, dass ich mit genügend
Zeitreserve die Ziellinie überqueren würde und die, die mir jetzt entgegenkamen
mit dem Mut der Verzweiflung gegen das Unmögliche ankämpften.
Es muss so gegen
halb elf gewesen sein. „Only one mile left“ rief eine Frau aus dem Dunkel. In
der Zwischenzeit ging ein warmer Tropenregen nieder. Die Strasse hinunter zum
Zieleinlauf reflektierte bunte Lichter, die Lautsprecherstimme aus dem
Zielbereich verkündete immer wieder den einen Satz: You are an Ironman!“ Ein
Satz, der Tote zum Leben erweckt. Ich lief schneller als je auf der Marathonstrecke,
kam dem Ziel des Wettkampfes und dem meiner Träume immer näher. Ein
unbeschreibliches Gefühl durchflutete meinen Körper, ich könnte springen,
sprinten, tanzen, ich könnte ohne weiteres einen Salto rückwärts, vorwärts und
zur Seite vollführen, mein Lächeln war kein gequältes, es war echt und dennoch
unfähig das Glücksgefühl auch nur ansatzweise auszudrücken. Ich überquerte die
Ziellinie und dieser Moment brannte sich für den Rest meines Lebens in mein
Gedächtnis ein.
Ich will nicht
behaupten, dass man alles erreichen kann, wenn man nur fest an sich glaubt. Es
braucht auch Glück, wie in meinem Fall, aber der Glaube an sich selber hilft
bestimmt auf dem Weg dahin.
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